So weit das Auge reicht … Berlin 1999 – 2004, „Eroberte Räume“ und „Inszenierungen der Macht und mächtige Inszenierungen“
Was heute für den computeraffinen eine Selbstverständlichkeit ist, war um die Jahrtausendwende fast eine Pionierarbeit. Aus lediglich 3 bis 4 gescannten Kleinbilddias ein Foto zu erschaffen, dem nicht anzusehen ist, dass es den Gesetzen der Optik widerspricht. Warum ich mich damals für eine so arbeitsaufwendige Technik entschied – abgesehen von der Herausforderung neue Wege zu gehen – hatte Gründe: das vorgegebene Format eines Kleinbilds entspricht nicht meiner Sehgewohnheit und seine geringe Datenmenge reicht nicht aus, um große Abzüge ohne Qualitätsverlust zu erstellen; die Alternative einer Mittelformatkamera erweist sich in der Straßenfotografie als zu behäbig und schwer. Vor allem aber war ich die Dunkelkammer leid. Dass durch das Verschmelzen der unterschiedlichen Perspektiven die Illusion erweckt wird, das Bild fast betreten zu können, war ein nicht zu erwartender Effekt, der sich vor allem dann zeigt, wenn die Fotografien entsprechend groß gedruckt sind.
Meine spezielle Collagetechnik der More-in-One Fotokompositionen erkläre ich mit Bildbeispielen und weiterführenden Texten unter: Texte
Wolfgang Ullrich Tanz der Zwischenräume, Zu den Fotografien von Frauke Bergemann
“Doch nicht die extreme Tiefenschärfe, auch nicht die lebendige Farbigkeit trägt am meisten zu jenem Erzählcharakter der Fotos bei. Er ergibt sich vielmehr aus einer hochmodernen und zugleich uralten Technik, derer sich Frauke Bergemann bedient. Schaut man sich ihre Bilder mit analytischem Blick an, fällt auf, daß sie den Gesetzen der Zentralperspektive nicht gehorchen, sondern jeweils mehrere, leicht voneinander abweichende Fluchtpunkte besitzen. Jedes Foto ist im Grunde eine Collage und aus verschiedenen Einzelbildern zusammengesetzt, die dasselbe Sujet mit einem etwas anderen Ausschnitt und aus geringfügig verschobenem Blickwinkel zeigen. Die Übergänge zwischen den Einzelbildern sind jedoch – im Unterschied zu einer Collage – dank digitaler Möglichkeiten der Bildbearbeitung sorgfältig miteinander verschmolzen und unsichtbar gemacht.
Uralt ist dieses Verfahren insofern, als viele Maler früherer Jahrhunderte – wie David Hockney in einem eindrucksvollen Buch zu zeigen vermochte – Linsen zur Hilfe nahmen, um ihre Sujets auf den Bildgrund zu projizieren, und dabei ebenfalls mit leicht changierenden Perspektiven operierten, um das Problem der relativ geringen Tiefenschärfe in den Griff zu bekommen. Das Zusammensetzen eines größeren Bilds aus mehreren kleinen garantierte aber nicht nur eine durchgängige Bildschärfe, sondern führte dazu, daß selbst im Bildraum weit entfernte Gegenstände nah wirken und nach vorne zu drängen scheinen. Während ein Bild mit einem einzigen Fluchtpunkt den Blick des Betrachters wie ein Sog anzieht, ihn damit aber auch verengt, spielt ein Bild, das mehrere Fluchtpunkte besitzt, seine gesamte Fläche aus und nivelliert den Unterschied von Vorder- und Hintergrund. Statt in die Tiefe entfaltet sich der Bildraum eher in die Breite, fächert sich gleichsam auf, und der Blick des Betrachters kann lange auf dem Bild hin- und herwandern.”
Vollständiger Text unter: Texte/Auszüge aus Texten
„Nicht nur die Wohnung ist unser Zuhause, sondern auch die mit Gebäuden möblierte Stadt,
unsere größere gemeinsame Wohnung, deren Mannigfaltigkeit unser Allgemeinbefinden verbessert.
Das urbane Labyrinth lockt Kinder ebenso wie Erwachsene. Nicht nur eine auf Kultur zentrierte Romantik stellt kritisch fest, dass die Menschen, wenn sie es können, vom Standardisierten zum Individuellen, vom Eintönigen zum Vielfältigen übergehen. Sie tun es, weil sie nicht zu Feinden Ihres Glücks werden wollen.“
György Konrád: Glück, Stadt, Raum, Berlin 2002